Jin-Sook Cords – Die Pflichtbewusste

Jin-Sook Cords würde gern ein wenig kürzertreten, wird im Tischtennis-Damenteam der Kaltenkirchener TS aber weiterhin an Position zwei aufschlagen.

Um es mal ganz flapsig zu formulieren: Tischtennisspielerin Jin-Sook Cords hätte nichts dagegen, in der am 24. August mit der Heimpartie gegen den Wandsbeker TB 1861 beginnenden Regionalliga-Saison 2013/2014 eine etwas ruhigere Kugel zu schieben als in den vergangenen Jahren. Nur zu gern würde die gebürtige Südkoreanerin, die seit 2002 für das Damenteam der Kaltenkirchener Turnerschaft um Punkte schmettert, auch mal an Position drei oder vier aufschlagen. Dann nämlich müsste sie physisch und psychisch nicht ständig bis an ihre Leistungsgrenze gehen.

Aber: Der Wunschtraum wird sich nicht erfüllen. Cords, die vor zweieinhalb Monaten ihren 50. Geburtstag gefeiert hat, ist viel zu stark für das untere Paarkreuz der dritthöchsten deutschen Klasse – der Norddeutsche Verband würde eine Umstufung deshalb rigoros ablehnen.
Nur ungern denkt Jin-Sook Cords an die Punktrunde 2012/2013 zurück, die mit dem Abstieg der KT aus der 2. Bundesliga Nord endete. „Es gab Momente, in denen ich am liebsten meine Sporttasche gepackt und die Halle verlassen hätte. Aber ich lasse meine Mannschaft nicht im Stich, und irgendjemand muss ja schließlich im oberen Paarkreuz spielen.“ Das galt damals, das gilt heute.

Jin-Sook Cords praktiziert die asiatische Penholder-Schlägerhaltung und verfügt über eine exzellente Beinarbeit;
Foto: Thomas Maibom

Was Pflichtbewusstsein bedeutet, bekam Jin-Sook Cords schon als kleines Mädchen eingetrichtert. Sie durchlief in ihrer Heimatstadt Seoul die harte Schule eines Tischtennisinternats. „Wir haben dreimal täglich trainiert und zusätzlich auch noch Turniere gespielt. Wer bei diesem strapaziösen Programm nicht richtig mitzog, hatte schlechte Karten. Es gab sogar Schläge, wenn die Trainer mit uns unzufrieden waren.“ Damit nicht genug: Ihr Vater Chang-Un Lee führte ebenfalls ein strenges Regiment. „Wenn ich zu Hause bei meiner Familie war und nicht den erhofften sportlichen Erfolg gehabt hatte, musste ich mich mit erhobenen Armen in die Ecke stellen. Bewegen durfte ich mich erst wieder, wenn ich die Erlaubnis dazu bekam.“
Cords denkt dennoch ohne Groll an diese Zeit zurück. „Für Europäer ist ein solcher Umgang mit Kindern unvorstellbar, aber die Asiaten haben halt eine andere Mentalität. Und solche Methoden haben ja auch einen positiven Aspekt: Man lernt zu kämpfen und diszipliniert zu arbeiten.“

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Demzufolge ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich in der vergangenen Saison trotz diverser Rückschläge ihren Frust nie anmerken ließ. Und Grund zum Ärgern gab es wahrlich genug: Jin-Sook Cords, die 1984 aus Liebe nach Deutschland kam und mit ihrem Mann Uwe, 54, sowie den beiden Kindern Daniel, 19, und Alena, 16, in Henstedt-Ulzburg lebt, hielt in vielen Zweitliga-Matches bis zur Schlussphase glänzend mit – doch in den entscheidenden Momenten fehlten ihr immer wieder das Glück und wohl auch der letzte Tick Schnelligkeit, um die Big Points zu machen.

Was allerdings auch nicht weiter verwunderlich ist. Auf der anderen Seite des Netzes standen schließlich immer wieder bis zu 30 Jahre jüngere Kontrahentinnen, die ihren Sport unter Profibedingungen ausüben. „Auf so hohem Niveau kann man nur mit Routine nichts mehr ausrichten“, sagt Cords, die die asiatische Penholder-Schlägerhaltung praktiziert, „und nach den ersten knappen Niederlagen kommen dann auch noch die Nerven ins Spiel. Das Selbstvertrauen schwindet, du wirst in kniffligen Situationen immer unsicherer und bekommst Angst vor dem Gewinnen.“
Nur gut, dass sie sich mit zwei Erfolgerlebnissen in die viermonatige Wettkampfpause verabschiedet hat. Beim 6:3 gegen den MTV Tostedt II, dem einzigen Saisonsieg der Kaltenkirchener TS, setzte sich Jin-Sook Cords jeweils mit 3:2 gegen Anne Sewöster und Pernille Agerholm durch. „Das war unheimlich wichtig für den Kopf, denn so habe ich mir selbst bewiesen, dass ich doch noch gewinnen kann.“

Cords‘ Tischtennispensum neben den Wettkämpfen ist im Vergleich zu ihrer Spielstärke lächerlich gering. „Ich stehe nur einmal pro Woche in der Halle“, sagt sie. Um trotzdem konkurrenzfähig sein zu können, tanzt sie zusätzlich ein wenig Zumba, geht zur Wassergymnastik und lässt regelmäßig und ausdauernd die Hüften kreisen. „Im Optimalfall trainiere ich eine Stunde täglich mit meinem Hula-Hoop-Reifen.“
Fit muss Jin-Sook Cords allerdings auch sein, wenn sich die Kaltenkirchener TS in der kommenden Serie für die 3. Liga Nord qualifizieren will. Nur der Meister der Regionalliga Nordost steigt direkt in die neue Spielklasse auf, Rang zwei berechtigt zur Teilnahme an einer Relegationsrunde.

Mit Katalin Jedtke, Cords und Aida Astani-Matthies dürfte die KT an den Positionen eins bis drei gut aufgestellt sein. Abzuwarten bleibt, wie schnell sich Neuzugang Julia Reble (kommt vom Verbandsliga-Club TSB Flensburg) akklimatisieren kann. Die Deutsche Vizemeisterin im Schülerinnen-A-Doppel ist übrigens ein Jahr jünger als Jin-Sook Cords Tochter…

Die Leistungsmannschaften und die Nachwuchstalente der Kaltenkirchener TS benötigt dringend finanzielle Unterstützung. Spenden nimmt der Tischtennis-Förderverein (Sparkasse Südholstein, Bankleitzahl 23 05 10 30, Konto-Nummer 27 00 21 29) entgegen.

Jin-Sook Cords‘ Erfolge
1983 Dritter Platz im Damen-Einzel bei den Offenen Japanischen Meisterschaften.
1989 Deutsche Vizemeisterin im Damen-Einzel.
1989 Dritter Platz bei der Deutschen Meisterschaft im Damen-Doppel mit Margit Freiberg.
1990, 1991 und 1994 Deutsche Meisterin im Damen-Doppel mit Cornelia Faltermaier (Spvg Steinhagen/Rot-Weiß Kletthamm-Erding).
1990 Deutsche Meisterin im Mixed mit Georg Böhm (TTC Zugbrücke Grenzau).
1988 Platz sechs mit Deutschland im Teamwettbewerb der Europameisterschaft in Paris.
1989 Platz 19 mit Deutschland im Teamwettbewerb der Weltmeisterschaft in Dortmund; im Einzel Einzug in die Runde der letzten 64. Vier Länderspiele, danach aus beruflichen Gründen der Rücktritt aus der Nationalmannschaft.
1986 Deutscher Mannschaftsmeister mit der FTG Frankfurt.
1989, 1990, 1991 Deutscher Mannschaftsmeister mit der Spvg Steinhagen.
Weitere Vereine: Jahn Soest, TSV Betzingen, TTC Kassel, SV Wahlstedt.
Seit 2002 spielt Jin-Sook Cords für die Kaltenkirchener TS.

Quelle: Hamburger Abendblatt vom 15.07.2013; Autor: Frank Best; Fotos: Thomas Maibom, Anne Pamperin + privat