Mr. Tischtennis macht Schluss

Nach 31 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für die Kaltenkirchener Turnerschaft will Michael Molatta mehr Zeit für sich und seine Familie haben

„Ich bin alle. Ich bin kaputt. Ich brauche dringend Erholung.“ Drei Sätze, die nachdenklich stimmen und betroffen machen. Denn der Mann, der dies sagt, ist ein Kerl wie ein Baum. 31 Jahre lang hat sich Michael Molatta, 48, in diversen Ämtern für die Tischtennisabteilung der Kaltenkirchener TS aufgeopfert. Als Jugend- und Sportwart, stellvertretender Spartenleiter, Manager des Zweitliga-Frauenteams, Ansprechpartner für und Akquisiteur von Sponsoren, Koordinator des Leistungsbereichs, als Trainer.
Doch nun ist der Akku leer. Molatta, der vor Energie und Tatendrang stets zu bersten schien, ist von allen Posten zurückgetreten. Mr. Tischtennis will künftig mehr Zeit für sich, Ehefrau Ina sowie seine beiden Kinder Moritz, 13, und Emily, 9, haben.

Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt nennt Michael Molatta die Beweggründe für diesen radikalen Schnitt, zieht eine Bilanz seiner ehrenamtlichen Tätigkeit und sagt, wie er künftig wieder zu Kräften kommen will.

Hamburger Abendblatt: Herr Molatta, wie geht es Ihnen?
Michael Molatta: Mal so, mal so. Es gibt Phasen, in denen ich gut drauf bin. Aber auch Tage, an denen ich mich total ausgebrannt fühle und nur tiefe Traurigkeit verspüre.

Wie erklären Sie sich das?
Molatta: Ich habe praktisch rund um die Uhr unter Strom gestanden. Und zwar nicht etwa tage-, wochen- oder monate-, sondern jahrelang. In meinem Job im Vertriebsbereich der Firma Buderus geht es sehr hektisch zu, es gibt den Druck, Umsatz zu machen – da sind 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit pro Woche normal. Wenn ich abends völlig kaputt nach Hause gekommen bin, blieb mir fast nie Zeit zum Durchatmen. Ich habe lediglich die Akten- mit der Sporttasche getauscht und bin auf dem schnellsten Weg in die Halle gefahren, um dort das Training zu leiten, Fragen zu beantworten, Probleme zu lösen, Projekte anzuschieben. Das war – mal ganz abgesehen vom Zeitaufwand, den ich im Schnitt mit 20 Stunden pro Woche ansetzen würde – eine ständige emotionale Belastung. Dies alles hat mir zwar meistens einen Riesenspaß gemacht, ich selbst bin dabei aber auf der Strecke geblieben.

Angesichts ihres Rund-um-die-Uhr-Programms ist dies eigentlich nicht weiter verwunderlich…
Molatta: Stimmt. Rückblickend betrachtet ist mir dies zum ersten Mal im Juni 2012 bewusst geworden, als ich zusammen mit Angela Engel das Bundesfinale der Deutschen-Mini-Meisterschaften in Kaltenkirchen organisiert habe – eine Herzensangelegenheit für uns beide. Doch der Preis war hoch: Ich konnte keine Nacht mehr durchschlafen, war um 3 oder 4 Uhr hellwach, bin nie richtig zur Ruhe gekommen. Dies alles habe ich zunächst als Lappalie abgetan und die Erschöpfungssymptome auf den immensen Stress bei der Vorbereitung des Turniers geschoben. Doch auch danach wurde es nicht besser.

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, die Notbremse zu ziehen und kürzerzutreten?
Molatta: Das war im Oktober 2012. Damals habe ich mich in ärztliche Behandlung begeben und mir zudem die Mühe gemacht, meine Aufgabenbereiche genau aufzulisten. Am Ende hatte ich zwei DIN-A4-Zettel vollgeschrieben. Da wurde mir klar: So geht es nicht weiter. Ich habe daraufhin meinen Vorstandskollegen schriftlich mitgeteilt, mich im Februar 2013 zurückziehen zu wollen.

Und tschüs! Oberliga-Spielerin Victoria Lauenroth (links) und Zweitliga-Ass Meike Müller werden künftig auf die Unterstützung des langjährigen KT-Leistungssport-Koordinators Michael Molatta verzichten müssen

Warum gerade dieser Zeitpunkt?
Molatta: Ich bin kein Mensch, der einfach alles hinschmeißt und wollte den Vereinsverantwortlichen bis zur Jahreshauptversammlung der Tischtennissparte die Möglichkeit geben, in aller Ruhe die ersten Weichen ohne mich zu stellen. Ins Clubhaus bin ich dann allerdings nicht gegangen, das hätte mich emotional zu sehr aufgewühlt. Ich habe mir aber über den Verlauf des Abends berichten lassen.

Wer wird künftig Ihre Aufgaben übernehmen?
Molatta: Um meine bisherigen Bereiche werden sich mehrere Arbeitsgruppen kümmern. Acht bis zehn Leute erledigen dann die Dinge, um die ich mich allein gekümmert habe. Das ist eine gute Lösung, das hätte ich in dieser Form gar nicht erwartet und macht Mut für die Zukunft.

Acht bis zehn Leute? Hätten Sie denn nicht auch den einen oder anderen Job delegieren können oder sogar müssen, um sich ein wenig zu entlasten?
Molatta: Es war sicherlich mein größter Fehler, dies nicht zu tun. Ich habe zwar das eine oder andere Mal signalisiert, dass ich Unterstützung brauche, es dann aber versäumt, hartnäckig nachzuhaken und andere Vereinsmitglieder in die Pflicht zu nehmen. Es sollte halt nicht so aussehen, als würde ich um Hilfe betteln.

Wie sieht Ihre persönliche Bilanz nach 31 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit aus?
Molatta: Ich bin sehr stolz auf meine Familie, die mich immer unterstützt hat. Und ich bin stolz auf das, was ich zusammen mit meinen Vereinskollegen aufgebaut habe. Der Leistungs- und der Nachwuchsbereich der KT-Tischtennisabteilung sind gut aufgestellt, wir haben immer den Blick für das Machbare behalten. Allerdings gab es eine Situation, in der es schon sehr gekribbelt hat, auch mal unvernünftig zu werden.

Das war wann?
Molatta: Im Sommer 2007. Da hatte das erste Damenteam als Vizemeister der 2. Bundesliga Nord schon die Zusage des Deutschen Tischtennis-Bundes, in der Bundesliga spielen zu können – damit wäre für mich als Trainer und Manager mein größter Traum in Erfüllung gegangen. Ich habe damals schweren Herzens die Entscheidung getroffen, das Angebot des DTTB abzulehnen. Zum einen aus finanziellen Gründen. Zum anderen wollte ich die Mannschaft auf keinen Fall auseinanderreißen, nur um eine Klasse höher antreten zu können. Es gab und gibt genügend abschreckende Beispiele für Vereine, die nach einem solchen Kraftakt in der Versenkung verschwunden sind.

Apropos 2. Bundesliga: Die Kaltenkirchener Turnerschaft ist mit 1:25 Punkten Tabellenletzter, der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt sechs Zähler. Glauben Sie noch an den Klassenerhalt?
Molatta: Sportlich wird das sicherlich ganz schwierig. Aber vielleicht zieht am Saisonende ja der eine oder andere Club sein Team zurück – das gab’s in der Vergangenheit schon einige Male. Dann könnten wir vielleicht drinbleiben.

Wie weit sind die Planungen für die Serie 2013/2014 fortgeschritten?
Molatta: Erfreulich ist, dass unsere Spitzenspielerin Katalin Jedtke schon jetzt für ein weiteres Jahr zugesagt hat – unabhängig davon, ob wir nun in der 2. Bundesliga oder der Regionalliga spielen. Um die übrigen Personalien müssen sich andere kümmern.

Und was macht Michael Molatta von nun an in seiner Freizeit?
Molatta: Ich werde es genießen, einfach mal die Füße hochzulegen, nur zum Tischtennisspielen in die Halle zu gehen, möchte mit Joggen und Fitnesstraining das eine oder andere Kilo abnehmen und habe mich für die 55 Kilometer bei den Cyclassics in Hamburg angemeldet. Ganz besonders freue ich mich auf eine Harley-Davidson-Tour von San Francisco bis zum Grand Can yon, zu der ich am 27. April starte.

Quelle: Hamburger Abendblatt vom 21.02.2013; Autor: Frank Best, Foto: Anne Pamperin